Auf der Suche......oder: Zurück zu den Wurzeln ..geschrieben und Fotos von Klaus Würfl

 

Nun ja, es war eigentlich reiner Zufall, daß ich auf die Geschichte des Banats aufmerksam wurde. Zwar schon immer geschichtlich, vor allem heimatgeschichtlich angehaucht, wusste ich vom Banat eigenlich nur wenig. Ehrlich gesagt gar nichts. Nicht einmal die genaue geographische Lage war mir geläufig. Und wenn, dann kochte ich das in einem Topf, mit Siebenbürgen und den dortigen Sachsen. Dass da differenziert wird zwischen besagten Sachsen, den Donauschwaben und den Bergbanatern; wie viele Bundesrepublikaner wissen das schon. Dann lernte ich im Passauer Ruderverein eine junge Frau kennen, deren Familie schon vor 1989, genauer gesagt 1985, zurück nach Deutschland kam, und in Augsburg eine neue Heimat fanden. Dort, wo sich bereits früher ausgereiste Banater-Deutsche niedergelassen hatten, und sich im wahrsten Sinne des Wortes gegenseitig unter die Arme griffen. So ähnlich lief das ja auch bei den Traunsteiner Weidenthalern ab. Die Familie meiner Vereinskameradin kam nicht aus dem Gebirgsbanat sondern aus der Gegend um Lippa, später in Temesvar wohnend. Der Vater stammte aus Josefsdorf (Iosifalau), die Mutter Lehrerin an der Lenauschule in Temesvar. Da hörte ich in privater Runde erst so nebenbei, und, nachdem mein Interesse geweckt war immer mehr nachfragend, etwas von der Geschichte der deutschen Siedlern im k.u.k.-Österreichisch-Ungarischen Staatsgebilde.

Der Zufall wollte es dann, dass ich von der Enduromania las. Schnell war der Entschluss gefasst, mein Motorrad-Hobby mit meinem Geschichtsinteresse zu verbinden. Und wenn man sich mit dem Banat, und hier dann mit der Gegend des Enduromania-Landes beschäftigt, stößt man unweigerlich auf Gerd Ballas. Schnell wurde mir klar gemacht, das da zu unterscheiden habe: Hier die Gebirgsbanater, dort die Heidebanater aus dem Tiefland. Hier das karge, harte Bergland, dort der fruchtbare Boden in der Tiefebene. Da klang schon durch, dass die Temesvarer etwas besseres waren, als die Kohle-Restitzaer. Aber ich hörte auch davon, dass die Temesvarer Schulkinder in den 70er und 80er Jahren ihre Ferien in der gesunden Luft bei den Drei Wässern verbrachten. Meine Sportkameradin zeigt mir u.a. ein Foto mit den Drei Kreuzen am Kalvarienberg in Tre ape Die Geschichte wiederholt sich: Jetzt kommen nicht mehr die Schulkinder, jetzt okkupieren an jedem Sommerwochenende die Temesvarer den See, um der schlechten Großstadtluft zu entfliehen. Aber was erzähle ich da. Da gibt es viele Menschen, die hierzu mehr sagen können (und dürfen) wie ich Banat-Anfänger.

Was für mich aber der Hammer war, war die Information (Banater Bergland.de), daß die Gebirgsbanater aus meiner näheren Heimat stammten. Wenn man den Radius von ca. 70 bis 100 km als nähere Heimat bezeichnen darf. Ich bin in Passau geboren, wohne auch noch hier. Jedoch verbrachte ich Ende der 60er Jahre meinen Bundesgrenzschutzdienst im Grenzgebiet von Bayerisch Eisenstein in Richtung Waldmünchen, also genau im Zielgebiet des ehemaligen Abstammungsgebiets der Gebirgsbanater. Und eben diese Gegend um Weidenthal, ich wanderte ja zu Fuß nach Lindenfeld, erinnerte mich total an den Böhmer- und Bayerwald. Was lag näher, als nach den Herkunftsorten der Weidenthaler und Wolfsberger zu suchen. Über Banater-Bergland.de war es relativ einfach, diese Orte zu finden. Das Kapitel 2. Abstammung, Auswanderung und Ansiedlung benennt sehr präzise die Namen der Aussiedler, und deren Herkunftsort. Also machte ich mich auf den Weg. Es sind ja nur ca. 90 min Autofahrt bis Waldmünchen. Über Straubing, Furth im Wald, Cham ist die Grenze in Liskova (Haselbach) schnell erreicht.

Per Google-Earth suchte ich vorab einmal die Wälder ab, ob noch Siedlungsreste erkennbar waren, welche Orte noch bebaut waren. Entgegen den Auskünften des o.g. Abstammungskapitels war Wassersuppen noch bewohnt. Sogar das Internet-Lexikon Wikipedia bot Infos zu Nemanice (Wassersuppen). Von dort aus musste m.E. das restliche Siedlungsgebiet gut zu erkunden sein. Ich sollte mich noch sehr wundern. Ich war auf einiges gefasst, nicht aber auf das was ich sah, und erlebte. Die Siedlungsgebiete auch deutscher Seite (Höll) zeigten, wie sollte es anders sein in Bayern, äußerst gepflegte und liebevoll geschmückte Dörfer. Aber schon kurz nach der Grenze traft mich eine Kulturkeule. Knapp 1000m nach dem Übergang Liskove zweigt eine Nebenstrasse ab in Richtung Wassersuppen (Nemanice).Der Ort liegt also im Abseits der Hauptstrasse, die nach Pobezovice (Ronsberg) und Hostoun (Hostau) führt. In das Gemeindegebiet von Wassersuppen gehören die Ortsteile Liskova (Haselbach), Nemanicky (Schmalzgruben), Nova Hut (Friedrichshütten), Novosedly (Neubäu), sowie die Wüstungen Mytnice (Mauthaus), Lucina (Grafenried), Pila (Seeg) und Upor (Anger).

All diese Namen finden sich wieder im Abstammungskapitel des Banater Berglands. offizielle Einwohner soll Wassersuppen beheimaten. Ob die Damen, die hier das älteste Gewerbe der Welt betreiben, alle angemeldet sind, bezweifle ich. Denn Wassersuppen wird nicht, wie dereinst, von der prächtigen Kirche dominiert, sondern von drei Bordellbetrieben, welche, man höre und staune, von Rumäninnen bedient werden. Verkehrte Welt oder Kulturaustausch auf andere Art. Diese Mädchen bieten sich in den Fenstern an, ihr männlicher Anhang bevölkert die Ortsdurchfahrt des vollkommen heruntergekommenen Dorfes. Am helllichten Tag lungern Burschen volltrunken am Weg, unmöglich hier auszusteigen, um Fotos zu machen. Kaum hat man den Fuß aus der Autotüre, hängen10 verwahrloste Kinder am Türgriff. Trotzdem ich viermal versuchte auszusteigen, um mit der Kamera mehr von der derzeitigen Situation einzufangen: Es war unmöglich. Und es war mir zu gefährlich.

Der Weg zur Kirche, zum Friedhof, ist Gott sei Dank frei. Auf dem Friedhof alte Gräber mit deutschen Namen, die mich an den Friedhof in Weidenthal erinnern. Gerd Ballas führte mich ja dorthin. Nur, dem Friedhof in Weidenthal sieht man an, dass sich dort noch jemand an die Altvorderen erinnert. In Wassersuppen wächst das Unkraut mehr als hüfthoch. Die Grabsteine musste ich erst vom Bewuchs befreien, um die Namen lesen zu können. Wassersuppen lebt zwar, ist aber eigentlich gestorben. Vielleicht ist mein Urteil ungerecht, denn diese Orte starben ja aufgrund des Eisernen Vorhangs, hatten nie eine Chance in Zeiten des Kalten Krieges, denn Nemanice lag im militärischen Sperrgebiet, war nur mit Sondergenehmigung zugänglich, verfiel deshalb zunehmend. 1945 wurden sämtliche deutschen Einwohner vertrieben, die meisten fanden Zuflucht jenseits der Grenze in Waldmünchen. Meine Fahrt ging weiter nach Althütten. Dort sind einige schmucke Häuschen zu finden. Erinnerte mich an die restaurierten Häuser in Weidenthal. Bestimmt werden diese Domizile ebenfalls von ehemaligen Einwohner genutzt, die späterhin in die Provinzhauptstädte nach Klattau und Bischofsteinitz zogen (oder ins deutsche Waldmünchen), um nun wieder, am Wochenende, in der Ferien, zurückzukehren. Auf schlechtesten Pfaden, vorsichtig riesige Schlaglöcher umkurvend (Drei Wässer lässt grüßen) suchte ich nach Mauthaus. Nahe der Strasse dann ein Schild Untergegangenes Dorf Mauthaus Mytrice. Bei meinem ersten Besuch fand ich rein nichts mehr von dieser Ansiedlung. Erst bei meiner zweiten Expedition entdeckte ich Überreste von Grundmauern, sowie ein Gedenkkreuz mitten im Urwald, von 1m hohen Brennesseln überwuchert. Der Weg dann weiter nach Seeg (Pila). Auch hier nur noch zwei Granitpfeiler einer Toreinfahrt zu finden, ein Marterl (Gedenkkreuz für Nicht-Bayern), welches an diese Wüstung erinnert. Obstbäume, Zierbäume inmitten des dichten Mischwaldes machten es mir leicht, ehemalige Siedlungsflächen zu entdecken. Ebenfalls versteckt ein Grenzstein von 1805. Ich fand so die Reste von Grafenried (Lucina), Rindl (Korytan), Schmalzgruben (Nemanicky) und Sophienthal (Cerna Reka). Heinrichsberg, Neuhütten ebenso. Über Domalice und Klattau steuerte ich den Grenzübergang Bayerisch Eisenstein an. Mein ehemaliges Grenzpatroliengebiet, welches sich vom Falkenstein bis zum Osser hinzog.

 

Ich habe das Gerd Ballas schon in einer mail geschrieben: Während meiner Solo-Wanderung nach Lindenfels hatte ich nicht die kleinste Spur von Angst, von Unwohlsein ob dieses Alleinseins. Wobei ich mich sogar fürchterlich verlief, über 1 Std. durch dichtestes Waldgebiet irrte, völlig orientierungslos. Aber immer guter Dinge. Ok – von den wilden Hunden hatte ich zwar Bammel, aber darauf hatte mich Gerd Ballas und seine Rodica vorbereitet. Und die Tipps, die ich bekam halfen außerordentlich (... einfach zielstrebig weitergehen, den Wanderstock fest in der Hand – ja nicht die Hunde anschauen usw.). Aber dort, im tschechischen Grenzgebiet hatte ich Angst. Absolutes Unwohlsein überfiel mich jedes mal, wenn ich das Fahrzeug verließ, um mich auf die Suche nach Siedlungsresten zu machen. Ich kann es nicht erklären, es ist einfach unheimlich dort. 20 km weiter im Landesinneren Tschechiens sieht die Welt schon anders aus. Hell, weltoffen und freundlich. Irgendwie wirkt anscheinend dieser Todesstreifen noch nach. Die finsteren Gestalten, die sich im Moment dort rumtreiben, tun natürlich ein übriges. Es ist zu hoffen, dass die Zukunft hier Besserung bringt. Schade, denn die Gegend ist wunderschön. Wildromantisch, und ursprünglich. Ich werde bestimmt wiederkommen. Werde diese Gegend durchwandern. Mit dem Motorrad und zu Fuß. Irgendwann werden auch diese Erinnerungs-Ortsschilder verloren gehen, überwuchert werden. Wer soll auch noch Interesse daran haben, dass dort, vor Ende des 2.Weltkriegs Dörfer standen. Die Nachkommen haben sich in alle Winde zerstreut. Und die Weidenthaler, Wolfsberger? Jetzt Traunsteiner, Traunreuter, Altöttinger? Vielleicht schauen die mal nach, wo ihre Wurzeln waren. Wo ihre Vorfahren lebten, bevor sie sich auf den Weg in die Karpaten machten. Es muss schon ein besonderer Menschenschlag sein, der sich zuerst dem Böhmerwald widersetzte, um dann in der Karpaten zu überleben, und im dritten Anlauf wiederum im Voralpenland sesshaft wurde. Jedenfalls hat mich der Banatvirus erwischt.

Dieses Jahr will ich Josefsdorf aufsuchen, Lippa, wiederum am Begaufer in Temesvar sitzen, und vor allem mit dem Motorrad von Weidenthal zur Donau runter fahren. Auch bei den Drei Kreuzen am Hügel gegenüber Weidenthal wird ich wieder sitzen und rüberschauen, über den See. Herrlich, wenn der Wind das hohe Gras dort oben hin und herwiegt. In meinem Büro hängt dieses Bild, Blick auf Weidenthal mit Drei Wässer, von den drei Kreuzen aus geknipst.

 

Klaus Würfl



untergegangen Mauthaus

untergegangen Rindl

Wassersuppe

untergegangen Seeg

Wassersuppe

Wassersuppe

Althütten

Neuhütten

Gegend um Wassersuppe

Heinrichsberg

Wassersuppe

hier war fr. Grafenried

Höll

Althütten

einst Mauthaus

Wassersuppe Bordell

Wassersuppe

Friedhof Althütten

alter Granzstein

Sohpiental

in Richtung Hostau

Friedhof Rindl

wie im Banat

Erinnerung an Seeg

Mauhaus Gedenkkreuz

Friedhof Wassersuppe

Wassersupper

Wassersuppe

Kirche Wassersuppe

Grenzstein 1805

Grenze Lucina -Haselbach

alte Hofeinfahrt Seeg

Mauthaus

früher Seeg

Reste Grafenried - Lucina

Mauthaus

Mauerrest Mauthaus

ehemalig Rindl

Wassersuppe

Wassersuppe



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